Raúl Roberto Steimbach, Kühn Controls S.L., Geschäftsleitung, Neuenbürg, Deutschland und Pamplona, Spanien.
Der zunehmende Verdrängungswettbewerb in fast alle Industriezweige, die weltweite Verteilung von Geschäftsprozesse sowie die Unternehmenszusammenschlüsse erfordern ein Umdenken in den Führungsetagen und in der Informationsverarbeitung.
Die hohe Qualitätsansprüche und der Trend zu immer mehr differenzierte Einzelprodukte sowie die immer kürzeren Lebenszyklen bei zunehmenden Kostendruck, erfordern immer mehr eine ausgefeilte Logistik, hohe Verfügbarkeit an Maschinen und Anlagen und auch an die EDV.
Alle diese und künftige Anforderungen im Unternehmen sind nur erreichbar, wenn eine einheitliche, durchgängige aber auch weltweite standarisierte Kommunikation vom Entstehungsort bis hin zu den (meistens entfernten) Führungsetagen zuverlässig besteht.
Die Anforderungen an die Information steigen zunehmend, deshalb muss sie aktuell, vertrauenswürdig, verarbeitungskonform sein.
Wenn zum Beispiel 2 Unternehmen fusionieren, prellen meistens 2 Welten aufeinander:
Nicht nur in den Führungsetagen ist bekanntlich etwas anders, sondern in den Produktionsstätten finden sich oft inkompatible Normen und Firmenstandards, Betriebssysteme, Software, Netzwerke, Bussysteme, betriebliche Datenerfassungssysteme und natürlich auch unterschiedliche Automatisierungsgeräte.
Nicht selten wird die Kompatibilität in der Industrieautomation mit teuren, aufwendigen aufgesetzten proprietäre Software implementiert.
Oft wird von „offene Standards” in der Automatisierung geredet, an proprietäre Software dabei gedacht.
Die Datengewinnung aus den Produktionsanlagen erfolgt aus Kompatibilitätsgründen oft leider doppelt, und deren Auswertung mehrfach.
Zum Beispiel derselbe Zustand eines Sensors in einer Produktionsanlage wird einmal für das PPS-System gewonnen, dann noch einmal für die Qualitätssicherung eingelesen, und dann für die Instandhaltung zum dritten mal „angezapft”… Oft jedes mal mit herstellerabhängige Hardware für andere Übertragungsprotokolle aufbereitet, in unterschiedlichen Bussystemen eingespeist und mit unterschiedlichen proprietäre Software gespeichert und ausgewertet.
Herkömmliche Methoden der Datenerfassung können zu Ungenauigkeiten führen, insbesondere wenn die Daten aus A/D od. D/A Wandlung entstehen, sind sie langsam und beinhalten oft komplizierte Algorithmen, sind teuer und in der Wartung kostenintensiv.
Nicht selten sind diese Daten aus „zweiter Hand” gewonnen oder sogar manuell ergänzt worden.
Die Ergebnisse sind meistens „echt vernetzt”.
Diese heterogene Strukturen sind wartungsintensiv, verhindern eine Querkommunikation und sind selten ausbaufähig.
Die Kosten sind im Verhältnis zum Nutzen unangemessen hoch, schließlich gute Informationen haben immer ihren Preis - sagt man -…
Anderseits ist die Bürowelt bereits mit EDV gut ausgerüstet und verfügt über standardisierte Netzwerkstrukturen (LAN) und gut ausgebildete IT- Fachleute.
Dort trifft man zunehmend mächtige ERP und PPS-Systeme, die unternehmensübergreifend oder sogar konzernübergreifend agieren.
Mit dem Einzug der Web-Technologien in der Produktion, ist es nun möglich, eine einheitliche, durchgängige aber auch weltweite standardisierte Kommunikation zu realisieren.
Wichtiges Merkmal dieser Technologie ist die nahtlose Kommunikation zwischen Bürowelt und Produktion, d. h. ein Dialog zwischen den beteiligten Komponenten ohne den Einsatz von zusätzliche aufgesetzte Hard oder Kopplungssoftware.
Wichtige Elemente sind das Ethernet als De-facto-Standard im Unternehmensnetzwerke, das TCP / IP- Protokoll als routierfähiges und paketorientiertes Datenübertragungsverfahren, die Seitenbeschreibungssprache (X)HTML (mit Derivate und Weiterentwicklungen), XML als textbasierte Meta-Auszeichnungssprache für die Strukturierung und Beschreibung von Daten, sowie die objektorientierte Programmiersprache Java.
Wichtige Voraussetzung für diese durchgängige und nahtlose Kommunikation ist das vorhanden sein von Automatisierungsgeräte mit integriertem Web-Server.
Alle diese Elemente, in sinnvoller Kombination und unter Verwendung vorhandenen Infrastrukturen im Unternehmen, ermöglichen eine plattformunabhängige Erfassung, Aufbereitung und Übertragung von Daten für alle ERP und MES- Ebenen.
Wenn wir ein Integrationsprojekt bearbeiten, betrachten wir zunächst die Informationsquelle vor Ort, d.h. wir sehen die Maschinen und Anlagen in der Fertigungshalle etwas genauer an:
Entweder finden wir in den Schaltschränken eine SPS älterer Bauart mit abgestimmten Feldbussystem, oder eine etwas modernere SPS mit dezentraler Architektur mit (noch) leeren Steckplätze, wo man eine Kommunikationsbaugruppe, mit Webserver Funktionen nachträglich einbauen kann.
Ab und zu treffen wir eine moderne SPS mit integrierten Miniwebserver, welche HTTP, FTP und SMTP unterstützen.
Nach dieser kurzen Bestandsaufnahme werden die Weichen für das weitere Vorgehen gestellt.
Für den Umstieg auf Web-Technologien in der Automatisierung gilt grundsätzlich:
Je moderner die Automatisierungsgeräte sind, desto einfacher wird, Informationen an das Netzwerk zu integrieren.
Man sollte an dieser Stelle die Hard- und Software und deren Folgekosten immer berücksichtigen!.
Oft sind versteckte Kosten in Umbaumaßnahmen vor Ort.
Ist eine SPS älterer Bauart vorhanden, müssen wir uns mit zusätzlicher Hardware und Software behelfen, um an die Informationen heranzukommen, diese aufbereiten, und dann auf einen externen Server (OPC-Server) weiter zu geben.
Von dort aus steht die Information, nach entsprechender Aufbereitung, über das Netzwerk für alle andere Teilnehmer zur Verfügung.
Man kann daraus eine Browser-basierte Prozessvisualisierung implementieren, und mittels XML-Datenformat, den Zustand von vordefinierten Parametern aus der SPS für ERP und PPS zur Verfügung zu stellen. Stichwort OPC-DX.
Etwas anders ist bei modernen SPS, die am Markt mit zusätzlichen Kommunikationsbaugruppen und integrierten Miniwebserver erhältlich sind.
Diese bieten eine interessante Alternative, weil mit verhältnismäßig geringerem Aufwand an den Maschinen oder Anlagen Daten herankommen kann.
- Vorausgesetzt es ist noch ein Steckplatz frei in den Baugruppenträger, oder es ist noch Platzreserve im Schaltschrank vorhanden -.
Noch besser sind die neuen SPS mit integriertem Web-Server. Hier erspart man sich die zusätzlichen Kosten der Kommunikationsbaugruppe und die eventuelle Unannehmlichkeiten wegen Platzmangel an den Baugruppenträger…
Für die bereits genannten Fällen gilt:
Die Funktionalität der Maschine od. Anlage, sowie vorhanden Feldbussysteme werden zunächst mal nicht berührt.
Als nächsten Schritt folgt die Analyse der (vorhandenen) Netzwerkarchitektur.
An dieser Stelle haben die Systemadministratoren und die hauseigenen IT- Verantwortliche ein hohes Mitspracherecht.
Die Verfügbarkeit des Netzes hat die höchste Priorität, Redundante Netzwerkarchitekturen sollen bevorzugt werden, aber unnötigen „Datentourismus” durch die Werkshallen soll vermieden werden.
Aspekte wie Determinismus, Prioritätensetzung und Geschwindigkeit müssen berücksichtigt werden, deshalb ist eine durchdachte Planung und den sinnvollen Einsatz von Switches, Bridges und Routers mit integrierten Firewall unbedingt erforderlich.
Weitere Sicherheitskonzepte auf der Basis von Intrusion-Detection-Systeme (IDS) und virtuelle private Netzwerke (VPN) sollen in Betracht gezogen werden.
Eventuelle zukünftige Änderungen und die Ausbaufähigkeit sollen dabei berücksichtigt werden.
Müssen tatsächlich neue Datenleitungen verlegt werden, sind die einschlägigen VDE-Vorschriften und die grundlegenden EMV-Richtlinien zu beachten.
Industrielle Umgebung ist rauhe Umgebung.
Die Empfehlungen von BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) sollen dabei berücksichtigt werden. Sicherheit ist mehr als nur der Werkschutz.
Steht die Hardware endgültig fest, dann ist eine wichtige Voraussetzung vor Ort geschaffen worden.
Dann beginnt die „Digitale Buchhaltung”, die manchmal sehr kreativ sein wird.
Bei vorhandenen Maschinen od. Anlagen ermitteln und analysieren wir den Ist-Zustand der SPS-Programme.
Bei den betroffenen Maschinen oder Anlagen wird der Ist-Zustand ermittelt und analysiert, anschließend mit den Anforderungen an Informationen der anzuschließender Integrationslösungen und sonstigen „Interessenten” verglichen.
Daraus ergibt sich ein Mengengerüst von Parameter die wir gewinnen und aufbereiten müssen.
Hier ist die Rücksprache mit den verschiedenen Organisationseinheiten des Unternehmens sowie des Maschinenbauherstellers erforderlich.
Oft sind die meisten Daten bereis in der SPS vorhanden.
Die restlichen Daten müssen erst entweder hardwaremäßig aus der Anlage erfasst werden, oder softwaremäßig aus der SPS durch Interpolation ermittelt werden.
Eine Überarbeitung der SPS-Programme sowie die Anpassung an Feldbus ist die logische Folge.
Aus praktischen Gründen werden die Daten, bzw. die erforderlichen Parameter in Datenbausteine der SPS abgelegt.
Das schafft bekanntlich eine gewisse Ordnung und Systematik bei Erweiterungen oder eventuelle Fehlersuche.
In der Projektierungsphase sind einige Besonderheiten des Internets zu beachten:
Die Arbeitsweise der TCP/IP ist zuverlässig, aber bedingt durch die Routierfähigkeit der Datenpakete, können diese recht unterschiedliche
Wege gehen und diverse Netzwerke und Knotenpunkte überqueren.
Die Folge ist, dass bei langen Strecken, zum Beispiel interkontinentaler Verbindungen, mit unterschiedlichen Bandbreiten oder stark ausgelastete Netze, Verzögerungen von mehr als 1 Minute entstehen können.
Deshalb ist das Eingreifen aus der Ferne, bei schnell rotierenden Maschinen oder in laufenden zeitkritischen Prozesse, aus Sicherheitsgründen, abzusehen.
Vor Ort, an der Maschine od. Anlage sind dabei keine Einschränkungen zu merken.
Bei Beginn der eigentlichen Web-Programmierung sollte man sich vergewissern, im Besitz der jeweils neuen Entwicklungswerkzeuge zu sein.
Dasselbe gilt auch für normative Anforderungen.
Dabei ist zu empfehlen, die Vorschläge des World Wide Web Consortium (3WC) zu beachten.
Mit der objektorientierten und Betriebssystem unabhängiger Programmiersprache Java werden die entsprechenden Java Applets mit lesende oder schreibende Zugriffe codiert und kompiliert.
Diese Applets werden auf dem SPS-Web-Server abgelegt und stehen abrufbereit für beliebige Art von Integrationslösungen zur Verfügung.
Ein und derselbe Java Applet kann man für die Web-basierte Prozessvisualisierung oder Fernwartung und Diagnose von Anlagen genau so gut einsetzen wie auch für eine ERP-Anwendung oder auch für Betriebsmodelle (Pay on Production) der Fall ist.
Ein einfaches aber typisches Beispiel:
Ein Zähler (counter) in der SPS hat alle gute Teile, die aus der Produktionsanlage stammen, erfasst und diese Information in einem Datenbaustein abgelegt.
Ein, für diesen Datenbaustein, passender Java Applet mit lesende und schreibende Zugriffsmöglichkeiten ist auf dem SPS-Miniwebserver ebenfalls abgelegt.
Jeder berechtigte Teilnehmer, der dieser Applet aufruft, bekommt der Zählerstand angezeigt auch dann, wenn mehrere Zugriffe gleichzeitig aus unterschiedlichen Teilnehmern erfolgen.
Nur der Teilnehmer, der die entsprechende erweitere Schreibrechte besitzt, kann der Zähler zurücksetzen, z. B. indem er in das entsprechende Datenwort über den Applet, ein null schreibt. Alle Teilnehmer sehen dann ein null!
Eine Interessante Alternative bietet XML als textbasierte Meta-Auszeichnungssprache für die Strukturierung und Beschreibung von Daten.
Zusammen mit den dazugehörigen DTD (Document Type Definition) als eine Art von formaler Grammatik für das XML, lässt sich passende Datensätze an die jeweilige Anwendung strukturieren und an Datenbanken flexibel anbinden.
Das geht z. Zeit allerdings leider nicht bei den SPS mit integrierten Miniwebserver in der Gestalt wie wir uns dies wünschen. Das sehen wir Nachholbedarf.
Die nächste Aktion ist das parametrieren und konfigurieren des SPS-Webserver.
Darunter gehört die MAC und IP-Adressierung, die Freigabe bzw. die Sperrung von TCP-Ports, die Vergabe von Benutzerrechte bzw. Zugriffsberechtigungen für die verschiedenen Teilnehmer und Integrationslösungen im Unternehmen.
Eine restriktive und selektive Zugangsberechtigung ist angebracht.
Die entsprechende Parametrierung von Router, Firewall und Intrusion-Detection-Systeme (IDS) gehören dazu.
Grundsätzlich gilt: Eine Produktionsanlage ist weder Selbstbedienungsladen noch Übungsplatz für Programmierer, deshalb ist Vorsicht geboten…
Um die Vorteile der Web-Technologien in der Automatisierungstechnik zu entfalten und auch diese sinnvollerweise ohne Einschränkungen effizient zu nutzen ist ein Umdenken oder sogar ein Neudenken in der SPS-Welt erforderlich:
Zum Beispiel wie ein Automatisierungsgerät aus unserer Sicht aussehen sollte:
Mit einem leistungsfähigen 32-Bit Prozessor (2 GHz) mit dazugehöriger Architektur und Speicher, sowie an Industrie-Standards passende Peripherie, als Betriebssystem den LINUX-Kernel verbunden mit einem integrierten Apache-Server, erreichen wir Automatisierungsgeräte mit hervorragender Leistung aber gleichzeitig integrieren wir ein Web-Server mit hoher Performance.
Es wäre nicht nur der vollständigen, direkten und lückenlosen Erfassung aller SPS-Inhalte in Echtzeit möglich, sondern auch deren Speicherung, Bereitstellung und Weiterverarbeitung für beliebige Art von Integrationslösungen.
Man bildet dadurch auch eine gute Basis für andere Web-Technologien und Applikationen wie Streaming, voice over IP, Verschlüsselung, Datenbanken, WLAN, WAP usw.
Alle diese Komponenten sind schon längst weltweit Standards in der IT-Branche, damit sollten Kosten und technisches Know-how kein unüberwindbares Problem mehr sein.
Eine Zukunftstechnologie wie Grid-Computing käme in sichtbarer Nähe.
Auch andere Anwendungen im Bereich Betriebliche Datenerfassung und Qualitätssicherung könnten simultan ablaufen.
Echte Offenheit und Standardisierung sowohl in der Automatisierungstechnik als auch in der ERP-Welt bündeln Kräfte und entfalten Rationalisierungspotentiale für alle Beteiligte.
Eine durchgängige und nahtlose Kommunikation mit Verwendung der Web-Technologien bildet die solide Basis für jede Art von Integration.
Deshalb machen wir an der Stelle keinerlei Unterschiede zwischen den Integrationsarten oder Ebenen.
Die Einsatzgebiete der Web-basierten Automatisierung und Prozessvisualisierung sind so vielseitig wie die Industrie selbst.
Typische Anwendungen, mit überwiegenden langsamen Prozesse wie in der Chemie Industrie oder Wasseraufbereitung oft vorkommen, oder auch im Gebäudemanagement, bis hin zu schnellen Verpackungsmaschinen oder Druckmaschinen können davon profitieren.
Diese Technologie ist Branchen unabhängig und die Daten sind beliebig einsetzbar, weltweit verfügbar mit hoher Zuverlässigkeit bei absolut minimalen Kosten.
Die Kommunikation zwischen den Beteiligten erfolgt Betriebssystem unabhängig.
Es sind auch keine Runtime-Lizenzen erforderlich und es wird weltweit ständig weiterentwickelt.
Plastisch dargestellt kann man sagen:
„In das Universum der netzwerk-zugänglichen Information ist ein Bit da… Er spricht Esperanto, ist zollfrei, ohne Umrechnungskurs und es kommt darauf an, was man mit ihm macht“.